Ab 2023 wurde die bisher verpflichtende bilanzielle Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgeschafft:
Künftig werden Verbindlichkeiten grundsätzlich mit ihrem Nennwert bewertet. Steuerpflichtige können beantragen, die neuen Regelungen rückwirkend auf frühere Wirtschaftsjahre anzuwenden. Dies kann den Gewinn durch Verzicht auf Abzinsungserträge mindern oder Aufzinsungsaufwände vorziehen. Dies ist besonders in Fällen relevant, in denen Verlustvorträge genutzt oder Progressionsvorteile erzielt werden können. Die Gewinnauswirkung ist enorm.
Ausnahmen, die weiterhin Abzinsung erfordern:
In Fällen isolierbarer Kreditgeschäfte (Käufe von Wirtschaftsgütern und Unternehmen), etwa bei gestundeten Kaufpreiszahlungen, bleibt eine Abzinsung erforderlich. Hier wird die Verbindlichkeit zum Barwert angesetzt. Beispiele sind:
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- Ratenzahlung bei Unternehmenskäufen,
- Leasinggeschäfte, die steuerlich als Veräußerung gelten,
- Unterschiedliche Preise für Sofort- und Ratenzahlungen. (siehe Beispiel unten)
- Immobilienverkäufe, die steuerlich als Veräußerung gelten,
Handelsrechtlich bleibt die Bewertung von Verbindlichkeiten unverändert (kein Abzinsungsgebot).
Steuerlich ist bei verdeckten Kreditanteilen ein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden, der aufzulösen ist. Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz können latente Steuern nach sich ziehen.
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- Neuverbindlichkeiten ab 2023 sind direkt mit dem Nennwert anzusetzen.
- Bestehende Verbindlichkeiten, die vor 2023 abgezinst wurden, werden zum Nennwert aufgewertet, was zu einem einmaligen Aufzinsungsaufwand führt.
Voraussetzungen für die rückwirkende Anwendung:
Rückwirkende Anpassungen sind möglich, sofern Veranlagungen nicht bestandskräftig sind. Es bedarf eines formlosen Antrags. Steuerpflichtige sollten die Auswirkungen auf Gewinn und Liquidität sorgfältig prüfen.
Beispiel:
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Ausgangslage des Beispiels
- Unternehmer U kauft einen Pkw bei Händler A:
- Barkaufpreis: 60.000 €
- Alternativ: Ratenzahlung über 4 Jahre: 1.375 €/Monat (66.000 € Gesamtbetrag).
- Wirtschaftlich entspricht die Ratenzahlung einem Annuitätendarlehen mit einem Zinssatz von 4,751 % p.a..
- Im Beispiel werden keine Zinsen offen ausgewiesen, was rechtlich Auswirkungen hat (§§ 506 ff. BGB).
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Handelsbilanz
- Bewertung des Pkw:
- Anschaffungskosten: 60.000 € (ohne Berücksichtigung der Zinsen).
- Verbindlichkeit: 66.000 € zu passivieren.
- Behandlung des Zinsanteils (6.000 €):
- Wahlrecht nach § 250 Abs. 3 HGB:
- Option 1: Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens (ARAP), der über 4 Jahre aufgelöst wird.
- Option 2: Sofortige Erfassung als Aufwand in der GuV.
- Keine Abzinsung erforderlich, da keine unverzinsliche Verbindlichkeit vorliegt.
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Steuerbilanz
- Bewertung des Pkw:
- Verbindlichkeit ebenfalls mit 66.000 € anzusetzen.
- Handelsrechtliches Wahlrecht für den ARAP führt steuerlich zu einer Aktivierungspflicht (§ 5 Abs. 5 Satz 1 EStG).
- Anschaffungskosten des Pkw:
- Umstritten:
- Variante 1: Anschaffungskosten mit Barwert (56.191 €) gem. Abzinsung nach §§ 12 ff. BewG. Der Restbetrag (9.809 €) wird als ARAP erfasst.
- Variante 2: Aktivierung mit 60.000 €, da sich die Zinsen wirtschaftlich aus der Differenz von 60.000 € (Kaufpreis) und 66.000 € (Gesamtbetrag) ergeben. Abzinsung gem. § 12 Abs. 3 BewG wäre nur bei tatsächlich zinsloser Stundung gerechtfertigt.
- Bei zinsloser Stundung:
- Gesamtzahlungen (60.000 €) werden aufgeteilt:
- Anschaffungskosten: 54.030 € (Abzinsung).
- ARAP: 5.970 € (aufzulösen über 4 Jahre).
Kernaussagen des Beispiels
- Handelsbilanz: Pkw wird mit 60.000 € aktiviert. Der Zinsanteil (6.000 €) kann direkt als Aufwand oder über einen ARAP verteilt werden.
- Steuerbilanz: Aktivierung des Pkw zu 60.000 € erscheint plausibel, da Zinsen implizit enthalten sind. Abzinsung gem. § 12 Abs. 3 BewG ist nur bei zinsloser Stundung erforderlich.